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Die Weihnachtshistorie bei Uwe Kersten |
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Peter Rosegger an Emil Brunlechner (Briefe 1)
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Graz, 25 Dezember 1874, Mein lieber Gustl ! Für mich war der gestrige Abend eine
glückselige Zeit. Ein doppeltes Kind - ein kleines,
zappelndes, jauchzendes u. ein erwachsenes, träumendes,
sinnendes - stand ich vor dem Weihnachtsbäumchen, das uns in
seinen 24 Lichtlein still entgegenglühte. Vor dem Christbaum
wird man sich erst der Vaterfreuden bewusst; ja, diese
Freuden werden hier zu einer plastischen, leuchtenden
Gestalt, haben eine sichtbare Wesenheit angenommen vor
unserem erstaunten, berauschten Auge. , Dieser Empfindung
hat meine Anna Worte geliehen,
indem sie vor dem Christbaum
stehend sagte: |
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ihr sei,
als brenne ihr Herz auf dem Tisch. - Auch die Grosseltern
waren bei uns u. nach dem Christbaum haben wir ein kleines
Mahl gehabt, bei dem es heiter zuging. Um 12 Uhr in der
Nacht trieb es mich in die Kirche, um die alten Weisen
meiner Kindheit wieder zu hören; aber nirgends, führten sie
die Messe auf, die wie Du von Leoben aus weisst, ich so gerne
höre; betrübt kehrte ich heim - ungehalten über mich selbst,
der ich eben vorhin erst selig war bei Weib u. Kind, und nun
auch noch meine eigene Kindheit wieder zurück haben wollte.
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Hast Du, lieber Gustl, nicht Aussicht, demnächst wieder einmal nach Graz zu kommen? In Worten Euch ein glückliches Neujahr zu wünschen kann ich unterlassen. Ihr wisst es, wir wir's Euch meinen. Bleibt unser in Freundschaft, und lehrt auch Euerem lieben Kinde, das Gott schütze! uns ein wenig lieb zu haben.
Es küsst Euch
P.K. Rosegger
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BUCHSCHMUCK UND ILLUSTRATIONEN,
geschrieben und
Zusammengestellt von UWE KERSTEN |
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