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Die Weihnachtshistorie bei Uwe Kersten |
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Gespenstisch, und am schauerlichsten war eines Winters die Vorführung der beiden letzten Azteken, die eine besondere Sensation war, denn Virchow hatte sie untersucht und ihnen ein Zeugnis ausgestellt, dass sie echt seien. Es waren Mann und Frau und beide waren uralt. Verblödet lallten sie auf Kommando wenige Worte in einer Sprache, die angeblich mit ihnen ausstarb. Sie froren entsetzlich, und ihre Gestalten bebten unter einem schweren, hektischen Greisenhusten. Der Tod wohnte bereits in ihnen, die Augen sahen nicht mehr, was um sie vorging. Sie waren - so hatte Virchow geschrieben - infolge Inzucht völlig degeneriert, aber an den feinrückigen grossen Adlernasen und den langausschwingenden Hinterköpfen konnte man noch die Rasse dieses einstmals so grossen und hochbegabten Volkes erkennen. |
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Die Spielzeug Verkäuferin
Zwischen den Karussells nun und den Schaubuden, den amerikanischen Luftschaukeln und den Riesenrädern dehnte sich der eigentliche Markt, die Budenstadt. Hier war der Sitz der Gerüche, die mit dem Lärm, der von den Orgeln, den Motoren und den Ausrufern stammte. und mit den vielen bunten und hellen Lichtern jenen unvergesslichen Eindruck vom Weihnachtsmarkt schufen, an dem Gehör, Gesicht und Geruch in gleich starker Weise beteiligt waren. Die Waffelbäcker und die Würstchenbuden gaben hier den Ausschlag. Es war eine Mischung von Schmalz und billigem Fett, die jenen uvergesslichen Duft hervorrief, der über dem ganzen Gelände lagerte und den man schon in den angrenzenden Strassen spürte. Es war gewiss kein wohlriechender Opferrauch, aber auch an ihm erwies sich die Verzauberung, die von einem Weihnachtsmarkt ausgeht. Nirgendwo sonst hätte man ihn geduldet, immer wäre man ihm ausgewichen, oder hätte man ihn bekämpft. Hier aber atmete man ihn gleichmütig stundenlang ein, und wäre er nicht gewesen, dann hätte etwas Wichtiges an jener Regelmässigkeit gefehlt, die ein Weihnachtsmarkt nun einmal haben muss, wenn er Befriedigung bringen soll.
Auch die Verkaufsbuden waren jedes Jahr wieder die gleichen, und auf manche unter ihnen war ich stets wieder besonders gespannt. Das waren die, in denen es eigentlich nichts gab, was zu Weihnachten passte, sondern nur nüchterne Dinge, die man das ganze Jahr in jeder Geschäftsstrasse kaufen konnte, Küchengeschirr etwa, oder Nähzeug, Strümpfe und Kragenknöpfe. Die Buden waren immer besonders sauber, und sie hatten sehr kleinliche dauerhafte Verzierungen aus Blech. |
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BUCHSCHMUCK UND ILLUSTRATIONEN,
geschrieben und
Zusammengestellt von UWE KERSTEN |
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